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Scheinschwangerschaft bei Kaninchen

Manche Kaninchenweibchen sind sehr empfänglich für Scheinschwangerschaften. Vor allem wenn sie mit einem Kastraten zusammen leben und im Frühjahr werden Häsinnen häufiger scheinschwanger.

Auslöser

Etwa 12 Stunden nach dem Deckakt werden beim Weibchen Eizellen freigesetzt. Nur durch den Deckakt werden Eizellen in den Follikeln ausgebildet und freigesetzt, Kaninchen haben keine zyklische Emfänglichkeit wie z. B. Menschen. Im Eileiter findet im Normalfall dann eine Befruchtung der Eier statt. Ist der Rammler kastriert, kommt es selbstverständlich nicht zur Befruchtung. Es kann aber zu einer sogenannten Scheinschwangerschaft kommen. In so einem Fall bilden sich trotz der nicht stattgefundenen Befruchtung Gelbkörper, welche für die Produktion des Schwangerschaftschutzhormons (Progesteron) zuständig sind.

Andere Auslöser von Scheinschwangerschaften oder Verhaltensweisen, die der Scheinschwangerschaft ähneln sind: Gebärmutterentzündungen, Tumor in der Gebärmutter oder an den Eierstöcken, Zysten an Eierstöcken und Gebärmutter.

Anzeichen

Häufig verhalten sich scheinschwangere Kaninchendamen schon zu Beginn der Scheinschwangerschaft aggressiver als sonst. Sie greifen mitunter sogar ihren Partner an und vertreiben diese von den gemeinsamen Futter- und Schlafplätzen (die Kaninchen sollten während einer Scheinschwangerschaft auf keinen Fall zusammen in einen kleinen Schlafkäfig gesperrt werden, Wohnungskäfige sollten allerdings ohnehin immer offen bleiben, damit sich die Tiere aus den Weg gehen können). Mitunter wird auch der Besitzer angegriffen. Scheinschwangere Weibchen werden auch unvermittelt unverträglich gegenüber anderen Kaninchenweibchen, mit denen sie sich bis dahin gut vertragen haben. Manche Weibchen knurren häufiger als sonst. Sie sind auch wesentlich unruhiger, buddeln mehr, verstecken sich aber auch mehr. Häufig gehen Scheinschwangerschaften mit einer leichten Gewichtsabnahme einher, die Tiere fressen weniger. Mitunter sind die Zitzen angeschwollen oder sondern sogar Milch ab.

Erst gegen Ende der Scheinschwangerschaft ist diese auch bei Weibchen, die sich trotzdem ruhig verhalten und nicht aggressiver werden, gut zu erkennen. Dann fangen die meisten Kaninchenweibchen an Nester zu bauen. Sie sind ständig damit beschäftigt, Nistmaterial zu sammeln und tragen fast immer Stroh oder Heu im Maul. Gegen Ende der Scheinschwangerschaft rupfen sich manche Häsinnen auch Bauchfell aus um damit ihr Nest zu polstern. Räumen Sie das Nest auf keinen Fall weg, lassen Sie Ihr Tier gewähren! Wenn Sie das Nest weg räumen sorgt das für großen Stress beim Weibchen, sie würde sofort ein neues Nest bauen und sich ggf. noch mehr Fell heraus reißen. Räumen Sie das Nest erst dann weg, wenn das Weibchen sich beruhigt hat und das Nest nicht mehr beachtet.

Es kommt allerdings auch vor, dass die Weibchen nur leicht aggressiv werden, sich ihr Verhalten ändert, aber das Ganze nicht mit einem starkem Nestbautrieb beendet wird. Manche Weibchen tragen dann vielleicht nur ein bisschen Heu herum, andere machen nichts dergleichen, sondern sind einfach nur ein paar Tage zickig und dann legt sich das wieder. Das sind normalerweise harmlose Scheinschwangerschaften.

Eine normale Scheinschwangerschaft dauert ca. 14 - 18 Tage, bis dahin werden die Gelbkörper abgebaut. Die sichtbaren Anzeichen einer Scheinschwangerschaft wie Nestbauen und massive Aggressivität treten meist erst gegen Ende der Scheinschwangerschaft zutage.

Ist das Weibchen nur ein oder zweimal im Jahr scheinschwanger, dann reicht es aus, ihr in der Zeit viel Ruhe, hochwertiges Futter, beruhigende Kräuter frisch oder als Tee zu verabreichen (Kamille, Salbei, Basilikum und Fenchelknollen).

Behandlung

Sollten häufigere oder länger andauernde Scheinschwangerschaften auftreten, dann ist es nötig, sie einem erfahrenen Tierarzt vorzustellen. Für die Häsin und auch ihren Partner sind andauernde Scheinschwangerschaften sehr stressig. Es steigt außerdem die Gefahr von schweren gesundheitlichen Folgen. Es kann zu Gebärmuttervereiterung, Gebärmutterkrebs, Entzündungen der Eileiter und Follikeln kommen.

Als erster Versuch ist die Behandlung mit Hormonen (Gestagen, HCG) möglich, allerdings ist diese Behandlung aufgrund des fehlenden regelmäßigen Zyklus bei Kaninchen umstritten. Die Wirkung ist normalerweise nicht von Dauer, häufig muss die Behandlung nach wenigen Monaten erneut erfolgen. Eine Heilung ist durch Hormone normalwerweise nicht möglich. Sie sollte nur bei Kaninchen versucht werden, deren Gesundheitszustand oder Alter eine OP nicht zulassen.

Die Kastration, also das Entfernen der Eierstöcke (Adnexektomie) oder die Hysterektomie (entfernen der Gebärmutter und Eierstöcke) , ist angeraten, wenn die Tiere dauerhaft unter Scheinschwangerschaften leiden und sie sonst gesund sind. Die Kastration ist die einzige dauerhafte Lösung bei ständigen Scheinschwangerschaften. Auch wenn es kein leichter Eingriff ist, wir haben bisher nur gute Erfahrungen damit gemacht, viele Weibchen wurden ruhiger, gelassener, standen nicht mehr unter Stress und das Zusammenleben zwischen den Tieren und zwischen Tier und Mensch wurde wesentlich harmonischer.

Falsche Infos:

Im Internet kursiert das Gerücht, dass 80 % aller Kaninchen ab dem zweiten Lebensjahr Tumore in der Gebärmutter kriegen und deshalb alle Kaninchenweibchen kastriert werden müssen. Das stimmt so nicht. Ältere Studien, die nun gern aufgewärmt und wiederverwendet werden, haben aufgezeigt: Bei der Ermittlung der Uteruskarzinomhäufigkeit bestimmter Zuchtlinien kam es zu einer Karzinomrate von bis zu 80 %. Aber das galt nur für bestimmte Zuchtlinien die eine genetische Prädisposition für derartige Erkrankungen aufwiesen. Eine Aussage der Studie war auch: Vor dem zweiten Lebensjahr wurden selten Karzinome gefunden. Allerdings wurden die meisten Karzinome bei Tieren die älter als 5 - 6 Jahre waren gefunden. Manche Tierärzte verweisen auch darauf, dass sie bei Weibchenkastrationen häufig auf Tumore (richtige Bezeichnung wäre Tumoren, allerdings ist das in der Umgangsprache nicht üblich, weshalb wir darauf verzichten) in der Gebärmutter stoßen, auch das bedeutet nicht, dass alle Kaninchen Tumore kriegen, denn auf dem OP Tisch eines Tierarztes landen für gewöhnlich nur kranke Kaninchen die schon Auffälligkeiten zeigten.

Manche Tierärzte oder Züchter raten dazu, ein scheinschwangeres Kaninchen einmal decken zu lassen, angeblich würde sich dann das Problem von selbst erledigen wenn die Kaninchen einmal Babys bekommen haben - das stimmt nicht! Da in den meisten Fällen die häufigen Scheinschwangerschaften ihren Ursprung in einer krankhaften Veränderung der Gebärmutter oder der Eierstöcke haben, ist so eine Vorgehensweise grob fahrlässig. Wenn das Weibchen überhaupt aufnimmt kommt es nicht selten zu Fehlgeburten, Schwangerschaftstoxikosen und sogar zum Tod des Tieres. Abgesehen davon quellen die Tierheime über mit ungewollten Kaninchenbabys die auf so eine Art und Weise zustande kommen. Auch Kaninchen die schon geworfen haben, werden Scheinschwanger. Auf diese Art und Weise werden nur ungewollte Babys produziert, dem Kaninchenweibchen wird damit nicht geholfen.

Wann ist eine OP nötig?

Allen Kaninchenweibchen ein gesundes Organ zu entfernen ist vermutlich nicht sinnvoll. Kaninchenweibchen haben, genau wie andere Tiere und der Mensch auch, natürlich das Risiko einen Uterustumor oder eine Gebärmuttererkrankung zu bekommen. Bei älteren Tieren ist die Karzinomrate wirklich relativ hoch, sie liegt, je nachdem welchen Quellen man da vertrauen möchte, zwischen 0,5 und 30 %. Sind Auffälligkeiten da (häufige Scheinschwangerschaften, unbestimmte Krankheitszeichen wie Gewichtsverlust oder Druckempfindlichkeit) oder gibt es einen positiven Befund per Röntgen- oder Ultraschalldiagnostik, dann ist eine Adnexektomie (entfernen der Eierstöcke) und auch eine Hysterektomie (entfernen der Gebärmutter und Eierstöcke) sicher angemessen. Es ist zwar richtig, das bei manchen alten Tieren die obduziert werden Tumore in der Gebärmutter oder Abszesse an den Eierstöcken gefunden wurden - aber es ist ebenso richtig, dass sie dann in den meisten Fällen nicht zu einer Störung des Allgemeinbefindens oder zum Tod des Tieres geführt haben und ohne Obduktion wären die Tumore nicht entdeckt worden. Über eine vorsorgliche Entfernung der Eierstöcke oder der Gebärmutter sollte lediglich bei Kaninchen nachgedacht werden, in deren Zuchtlinien nachweislich viele Uterustumore vorkamen (diese Tiere sind aus der Zucht zu nehmen!).

Gründe für die Kastration sprechen

Erkrankungen: Tumore, häufige Scheinschwangerschaften, häufige Entzündungen der Gebärmutter, eine Prädisposition für Gebärmutterkarzinome in der Zuchtline.
Risikovermeidung: Eine frühe Kastration wird von den Tieren häufig besser vertragen, als eine Kastration im höheren Alter oder nach Einsetzen der Krankheit und einer Verschlechterung des Allgemeinbefindens.
Beruhigung: Kastrierte Kaninchenweibchen sind vom Sexualtrieb befreit, das kann sie ruhiger im Umgang mit Artgenossen machen.

Risiken

Behandlungsfehler, Vor- und Nachsorgefehler und Narkoseprobleme sind nicht zu vernachlässigen. Immer noch sterben viele Kaninchen an den Folgen so einer Operation oder haben mit den Folgen länger zu tun.

Narben: Die bei so einer OP entstehenden Narben drücken ein Leben lang auf die inneren Organe beim Kaninchen, was zu einer verminderten Futteraufnahme und dauerhaften Gewichtsabnahme führen kann. Die Narbe einer solchen OP ist im Vergleich zur Bauchdecke riesig. Es kommt noch dazu, dass die Narben ein komplette Dehnung der Bauchdecke verhindert. Gerade Pflanzenfresser haben nicht selten direkt nach der Fütterung einen massiv gefüllten Magen/Darmtrakt das Bauchvolumen vergrößert sich massiv (nur bei Tieren, die ihr Futter auf wenige Mahlzeiten am Tag rationiert bekommen, was aber eigentlich nicht so sein sollte). Normalerweise ist das kein Problem, es kann aber ein Problem werden, wenn die Bauchdecke massiv spannt, weil eine große Narbe die Haut daran hindert, sich mit auszudehnen.
Narkose: Nach wie vor ist diese OP ein gefährlicher Eingriff. Jede Operation und vor allem jede Narkose am Menschen oder Tier birgt Risiken in sich. Sicher gibt es heute schon gute OP Methoden und weiter entwickelte Narkosen - aber trotzdem bleibt ein großes Risiko bei jeder Narkose.
Bauchwunde: Natürlich kann sich nach der OP die Wunde auch entzünden. Das kommt leider häufiger vor. Auch eine Abstoßung des Nahtmaterials wurde häufig beobachtet und kann zu offenen Wunden am Bauch führen. Manche Tiere ziehen sich die Fäden nach der OP oder nagen an der Wunde. Das ist in so einem Fall dann kaum zu verhindern, es sei denn, man möchte sein Kaninchen eine Woche lang mit einem Trichter um den Hals herum laufen lassen und das wäre nicht machbar, denn dann könnten die Tiere ihren Blinddarmkot nicht aufnehmen und stellen oft das Fressen ganz ein. Man könnte ihnen auch ein Hemdchen anziehen (eine große Socke mit abgeschnittener Spitze, in die Löcher für die Füße geschnitten wird), aber das ist sehr unsauber und viele Tiere wehren sich sehr gegen solche Maßnahmen.
Gewichtszunahme: Es wird berichtet, dass Kaninchen nach der OP dauerhaft übergewichtig waren.

Links

Einen Bericht über eine Kastration bei einem Kaninchenweibchen können Sie hier finden:
Kastration bei einem Kaninchenweibchen

Einen ausführlichen Artikel, über die Notwendigkeit, Kaninchenweibchen (als auch Männchen) - kastrieren zu lassen, finden Sie hier:
Kastrieren oder nicht Kastrieren? von Dr. med. vet. Bernhard Lazarz

Hier findet sich ein Zeitungsartikel zum Thema Scheinschwangeschaft
Rodentia / Scheinschwangerschaft beim Kaninchen

Scheinschwangeres Kaninchen
Scheinschwangere Kaninchendamen tragen fast immer Nistmaterial mit sich rum

Quellen unter anderem

Gabrisch und Zwart Krankheiten der Heimtiere; Schlütersche; Auflage 2005 (und Studienausgabe 1989)

Anja Ewringmann Leitsymptome beim Kaninchen / Diagnostischer Leitfaden und Therapie

Wenzel/Albert Kaninchenkrankheiten

Winkelmann Kaninchenkrankheiten Ulmer Verlag

Isenbügel Heimtierkrankheiten

Kraft; Hein; Emmerich Dosierungsvorschläge für Arzneimittel bei Kleinnagern, Kaninchen und Frettchen; Schattauer

Peter C. Berghoff Kleine Heimtiere und ihre Erkrankungen

Walter Baumgartner, Klinische Propädeutik der inneren Krankheiten und Hautkrankheiten der Haus- und Heimtiere, Verlag Parey, 6. Auflage 2005

Kathy Smith; Rabbit Health in the 21st Century, second Edition; iUniverse. Jörg Grünwald, Christof Jänicke Grüne Apotheke GU Verlag

Weitere Quellen hier: Quellen der Nager Info