Ovarialzysten beim Meerschweinchen
Was sind Ovarialzysten?
Ovarialzysten (Eierstockzysten) entstehen an den Eierstöcken nahezu aller Säugetiere, also auch beim Meerschweinchen. Zysten entstehen vermutlich aufgrund von Hormonveränderungen. Eine massivere Zystenbildung gibt es vor allem allem bei sehr jungen Tieren in der Pubertät und auch bei älteren Tieren in den Wechseljahren. Grundsätzlich bilden sich allerdings wohl regelmäßig einfache und ungefährliche Zysten. Vermehrt wurde auch bei einzeln gehaltenen Weibchen eine massive Zystenbildung mit mehr krankhaften Veränderungen gefunden, es wird vermutet, dass dies damit zusammenhängt, dass diese Weibchen durch den fehlenden Deckakt vermehrt Hormonprobleme und somit auch eine Zystenbildung haben. Gruppenhaltung soll hier Abhilfe schaffen, wobei es wohl keinen großen Unterschied macht, ob es reine Weibchengruppen sind, oder ein kastrierter Bock anwesend ist - Weibchen bespringen sich in der Brunft ebenso gegenseitig und scheinen so den Zyklus günstig zu beeinflussen. Auch Weibchen die häufiger trächtig waren, bekommen im Alter Zysten oder können unter Hormonschwankungen leiden, Schwangerschaft schützt die Tiere also nicht.
Es gibt verschiedene Arten von Zysten. Unterschieden wird in erster Linie zwischen drei verschiedenen Arten (es gibt aber auch viele Abstufungen dazwischen):
- Harmlose Zysten, die klein bleiben und hormonell inaktiv sind (dies ist die häufigste Zystenvariante).
- Große und häufig auch schnell wachsende Zysten, die in erster Linie mit Flüssigkeit gefüllt sind. Diese können ein sehr großes Volumen erreichen (Hühnereigroß und unbehandelt sogar größer). Meist sind diese Zysten hormonell nicht sehr aktiv.
- Kleine, aber dafür massiv hormonell aktiven Zysten.
Die meisten Zysten beim Mensch und Tier bleiben klein, unbemerkt und bilden sich mit der Zeit von selbst zurück. Flüssigkeitsgefüllte Zysten kommen häufig vor, platzen mitunter irgendwann und verschwinden von selbst wieder. Nur wenige Zysten verändern sich im Laufe der Zeit krankhaft und müssen dann behandelt werden.
Diagnose/Symptome
Stark vergrößerte Zysten sind gut zu ertasten. Sie können per Ultraschall genauer dargestellt werden, sehr große Zysten zeigen sich auch deutlich auf Röntgenbildern. Sie bestehen häufig aus mehreren, flüssigkeitgefüllten Kammern. Wenn diese Zysten wachsen, verdrängen sie andere Organe, vor allem zu Anfang den Darm. Dadurch kann es zu Verstopfung, Aufgasung und anderen Verdauungsbeschwerden und in der Folge auch zu Gewichtsabnahme kommen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer massiven Umfangsvermehrung im Bauchbereich, hingegen nimmt das Tier ansonsten meist stark ab, die Wirbelsäule und die Beckenknochen stechen hervor. Die Tiere zeigen im weiteren Verlauf auch Schmerzen, da die Zysten auch auf weitere Organe drücken, es kommt abschließend zu starken Schmerzen, Atemnot und zum Tod des Tieres. Diese Zysten müssen unbedingt entfernt werden.
Die kleineren Zysten sind meist auf Röntgenbildern nicht zu erkennen und auch nicht immer eindeutig mit dem Ultraschallgerät zu finden, sie sind auch sehr schwer zu ertasten und werden oft übersehen! Sind sie aber hormonell aktiv, dann zeigen sich im Anfangsstadium meist Haarausfall an den Flanken und Bauchraum des Meerschweinchens und/oder es kommt zu einer massiven sexuellen Aktivität des Weibchens, es wird "dauerbrommselig" und versucht fortwährend ihre Artgenossen zu besteigen. Mitunter kommt es auch immer wieder zu massiven Auseinandersetzungen zwischen sonst friedlichen Tieren, die Tiere stehen stark unter Stress, cirpen mehr, wirken unruhiger. Im weiteren Verlauf kommt es durch den Stress zur Gewichtsabnahme und häufig auch zu weiterem Fellverlust. Meerschweinchenweibchen mit massiven Hormonstörungen können nicht mehr am normalen Gruppenleben teilnehmen, sie stehen sozial außen vor. Außerdem verlieren sie durch den massiven Stress der Dauerbrommseligkeit häufig massiv an Gewicht und werden anfälliger für andere Krankheiten.
Behandlung
Bei vergrößerten Zysten gibt es mehrere Behandlungsmöglichkeiten:
Zerdrücken: Die Zysten können zerdrückt werden. Natürlich ist das mit Schmerzen verbunden, schon das Ertasten der Zysten ist für die Meerschweinchen unangenehm. Die Zysten sollten also ohne Narkose nur von einem Tierarzt zerdrückt werden, der sehr geübt damit ist und das schnell und problemlos erledigen kann. Das Zerdrücken hat den Vorteil, dass die Flüssigkeit im Tier verbleibt und resorbiert wird. Diese Methode eignet sich vor allem bei mehrkammerigen Zysten.
Punktieren: Zysten können punktiert werden. Das heißt: sie werden mit einer Spritze angestochen und die enthaltene Flüssigkeit wird heraus gezogen. Vor allem bei Zysten die nur aus einer Kammer bestehen ist diese Behandlung sinnvoll. Vorab oder direkt anschließend sollte das Tier eine Infusion gespritzt bekommen, um den massiven Flüssigkeitsverlust zu ergänzen. Mitunter muss das Punktieren wiederholt werden, häufig bildet sich die Zyste aber schon nach einer Behandlung zurück.
Hormonbehandlung: Hormonell aktive Zysten können mit Hormonpräparaten mit Gestagen oder HCG (Humane Choriongonadotropin) behandelt werden. Die Präparate werden dreimal im Abstand von etwa 10 - 15 Tagen gespritzt. Mitunter muss diese Anwendung regelmäßig, im Abstand von mehreren Monaten, wiederholt werden. Allerdings ist ein dauerhafter Behandlungserfolg meist nicht gegeben und zumindest Gestagen steht in Verdacht, massive Gebärmutterveränderungen zu verursachen.
Operation:
Sind alle übrigen Behandlungen erfolglos, ist es notwendig, die Zysten (und ggf. Eierstöcke und Gebärmutter) operativ zu entfernen. Wenn die Zysten nicht entfernt werden, kommt es zu den oben genannten Symptomen und damit schlussendlich zum Tod des Tieres durch die massive Umfangsvermehrung, Druck auf Organe und auch Stress. Es gibt verschiedene Operationsmethoden. Üblicherweise wird durch einen relativ großen Schnitt an der Bauchdecke Zysten, Eierstöcke und Gebärmutter entnommen. Durch diese Total OP sollen weitere Probleme (wie erneute Zysten oder Gebärmutterkrebs) verhindert werden. Es gibt ebenfalls die Möglichkeit, nur die Zysten und ggf die Eierstöcke über kleine Schnitte am Rücken/im Flankenbereich, zu entfernen. Diese Schnitte sind kleiner heilen schneller und die Tiere können sich dort meist nicht so leicht die Narben aufnagen. Aber bei der OP verbleiben meist Eierstöcke und immer Gebärmutter im Tier und der Arzt kann natürlich auch nicht sehen, ob die Gebärmutter schon Veränderungen hat. Diese OP wird also nur durchgeführt, wenn die Gebärmutter auf dem Ultraschall völlig unauffällig ist.
Vorbeugung?
Die einzige bisher bekannte Vorbeugung ist die Gruppenhaltung von Meerschweinchen. Damit lassen sich die Zysten nicht verhindern, aber die Häufigkeit von Zysten wird angeblich vermindert.
Total-OP als Vorbeugung?
Es gibt Tierärzte, die der Auffassung sind, dass allen Meerschweinchen vorsorglich die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernt werden sollten. Als Argument wird gern herangezogen, dass laut Hamel angeblich bis zu 80 % aller Meerschweinchen mit der Zeit Zysten an den Eierstöcken bilden. Dann wird noch gern angeführt, dass ältere Tiere häufig Gebärmutterkrebs bekommen.
Diese 80 % sind natürlich Augenwischerei, denn diese hohe Anzahl an Zysten wurde nur von einer Tierärztin (Hamel) in ihrer Praxis bei Autopsien gezählt, sie gibt an, dass die massive Zystenbildung vor allem bei einzeln gehaltenen Tieren vorkam. Außerdem gibt es keine Aussage darüber, wie häufig diese Zysten krankhaft verändert waren - und alte Tiere (und Menschen!) haben häufig unproblematische Zysten an den Eierstöcken. Die Arbeit von Riecken gibt an, dass bei den von ihr untersuchten Tieren nur etwas über 10% der Meerschweinchen mit Zysten auch gesundheitliche Probleme als Folge der Zysten hatten. Über die Häufigkeit der Gebärmutterkrebserkrankungen beim Meerschweinchen gibt es keine verlässlichen Zahlen. Zystenbildung und Krebserkrankungen nehmen naturgemäß im Alter bei allen Säugern zu.
Es spricht nichts für eine vorsorgliche Gebärmutterentfernung am gesunden Tier, es spricht aber sehr viel dagegen:
Nach wie vor ist diese OP ein gefährlicher Eingriff. Jede Operation und vor allem jede Narkose am Menschen oder Tier birgt massive Risiken in sich. Sicher gibt es heute schon gute OP Methoden und weiter entwickelte Narkosen - aber trotzdem bleibt ein großes Risiko bei jeder Narkose.
Natürlich kann sich nach der OP die Wunde auch entzünden. Manche Tiere ziehen sich die Fäden nach der OP oder nagen an der Wunde. Das ist kaum zu verhindern, es sei denn, man möchte sein Meerschweinchen eine Woche lang mit einem Trichter um den Hals herum laufen lassen oder ihm entsprechende Kleidung anziehen - und wer würde das seinem gesunden Tier vorsorglich antun wollen?
Die bei der Gebärmutterentfernung entstehenden Narben drücken ein Leben lang auf die inneren Organe beim Meerschweinchen. Die Narbe einer solchen OP ist im Vergleich zur Bauchdecke riesig. Es kommt noch dazu, dass die Narben ein Dehnung der Bauchdecke verhindert. Gerade Pflanzenfresser haben nicht selten direkt nach der Fütterung einen massiv gefüllten Magen/Darmtrakt das Bauchvolumen vergrößert sich massiv. Normalerweise ist das kein Problem, es kann aber ein Problem werden, wenn die Bauchdecke massiv spannt, weil eine große Narbe die Haut daran hindert, sich mit auszudehnen.
Meerschweinchenweibchen ohne Gebärmutter und Eierstöcke zeigen leider auch kein normales Verhalten mehr. Sie werden natürlich nicht mehr brommselig. Dadurch stehen sie sogar teilweise in der Rangordnung regelrecht außen vor. Der Bock versteht die Ablehnung des Weibchens gegenüber seinem Werben nicht, das Weibchen wird mitunter regelrecht vergewaltigt oder bleibt ganz außen vor. Eine normale Interaktion zwischen Kastrat und Weibchen findet nicht mehr statt. Das kann zu massiven Rudelproblemen führen, denn gerade kastrierte Meerschweinchenböcke haben meist weiter eine relativ normale Sexualität und leben diese mit ihren Weibchen aus. Und die Weibchen scheinen durchaus nichts dagegen zu haben, alle 14 - 18 Tage "ihren" Bock ein wenig verrückt zu machen und ihre Sexualität mit ihm auszuleben - ganz im Gegenteil scheint das den Zusammenhalt der Gruppe ganz klar zu stärken. Es gibt wirklich keinen Grund, den Tieren das Sexualleben und ihr normales Rudelleben vorzuenthalten und ihnen vorsorglich ein gesundes Organ zu entfernen, nur weil es evtl. mal krank werden könnte. Hand aufs Herz, meine Damen: auch wenn Sie keine Kinder haben möchten: würden Sie sich Ihre Gebärmutter mal eben entfernen lassen, weil sie krank werden könnte? Oder legen Sie Wert auf Ihre Hormone und halten Sie eine OP ebenfalls für eine blutige und riskante Angelegenheit, die man sich gern erspart?
Abschließend: Manche Tierschützer lassen mittlerweile nicht nur alle männlichen, sondern auch alle weiblichen Tiere kastrieren, unter anderem auch, um eine unkontrollierte Vermehrung der Tiere zu verhindern. Wir sehen aus oben genannten Gründen diese Vorgehensweise sehr kritisch. Durch eine gezieltere und bessere Vermittlung der Tiere kann eine ungewollte Vermehrung ebenfalls verhindert werden. Wir können mit gutem Gewissen sagen: Wir und die Organisationen mit denen wir enger zusammen arbeiten, haben schon hunderte Weibchen vermittelt - aber keins davon wurde in der Folge schwanger. Nachkontrollen und eine sorgfältige Auswahl der neuen Tierbesitzer verhindert eine unkontrollierte Vermehrung ebenfalls. Und da alle Böcke ja grundsätzlich kastriert werden ist eine "zufällige" Vermehrung ausgeschlossen.
Die Vorsorgliche Entfernung gesunder Organe eines Tieres, reduziert das Tier auf seine rein mechanischen Funktionen; seine Bedürfnisse, seine Gefühle und sein Wohlbefinden steht außen vor. Es kann nicht sein, dass wir gesunde Tiere verstümmeln, nur damit sie nicht irgendwann krank werden!
Quellen unter anderem
Gabrisch und Zwart Krankheiten der Heimtiere; Schlütersche; Auflage 2005 (und Studienausgabe 1989)
Anja Ewringmann/ Barbara Glöckner Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu / Diagnostischer Leitfaden und Therapie
Isenbügel Heimtierkrankheiten
Ilse Hamel Das Meerschweinchen als Patient
Kraft; Hein; Emmerich Dosierungsvorschläge für Arzneimittel bei Kleinnagern, Kaninchen und Frettchen; Schattauer
Peter C. Berghoff Kleine Heimtiere und ihre Erkrankungen
Walter Baumgartner, Klinische Propädeutik der inneren Krankheiten und Hautkrankheiten der Haus- und Heimtiere, Verlag Parey, 6. Auflage 2005
Alexandra Riecken; Untersuchungen zu Ovarialzysten beim Meerschweinchen
Weitere Quellen hier: Quellen der Nager Info
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